Drei Tage in London

Reisebericht

Unsere kurzfristige Reise führte S., J. und mich für zwei Nächte erstmals nach London. Die britische Weltstadt geizt zwar mit gutem Wetter, gutem Bier, gutem Essen und schönen Frauen, weniger aber mit kulturellen Angeboten — und überdies versteht man die Sprache.

Gegen elf Uhr mittags landete unser Billigflieger von Easyjet auf dem Flughafen Gatwick. Weiter ging es mit dem Southern-Zug, den wir irrtümlich für den schnelleren und bereits bezahlten Gatwick Express hielten, zur Victoria Station und von dort aus mit der U-Bahn zu unserem Hotel, das in der Nähe des Platzes Elephant & Castle liegt. Unser Zimmer war besser als erwartet, nach unseren bisherigen Erfahrungen auf einem mittleren Niveau, also zwischen unseren Hotels in Tokio und Paris. Nach einer kurzen Fish-&-Chips-Einkehr brachen wir in Richtung Trafalgar Square auf, wo die National Gallery liegt. Die entsprechende Bushaltestelle bei Elephant & Castle war wegen einer Baustelle gesperrt, was uns zu einem längeren Umweg um den großen Kreisverkehr herum zwang. Schnell wurde uns klar: London ist konfus. Ein Pfeil, der in Richtung U-Bahn zeigt, muss nicht auch dorthin führen. Schön ist die Gegend ebenfalls nicht, denn sie besteht zum größten Teil aus Büroblocks, bei denen ganze Fassadenplatten lose oder bereits heruntergefallen sind, oder ebenso hässlichen Sozialbauten.

Eine großartige Londoner Einrichtung sind die Doppeldeckerbusse. Sie fahren alle paar Minuten und sind nur selten überfüllt, zudem hat man von den vorderen Plätzen im Oberdeck aus einen schönen Blick auf die Straße und die Umgebung. Kein Wunder also, dass die nahezu identischen Stadtrundfahrtsbusse immer so leer aussehen. Der chaotische Linksverkehr und der nicht immer geschmeidige Fahrstil können einen dabei ganz schön durchrütteln.

Nach nur rund zehn Minuten waren wir bereits am Trafalgar Square im Herzen der Stadt. Dort fand gerade zum Anlass des St. Patrick's Days am 17. März mitten auf dem Platz ein Konzert statt. Ein gemeinsames Besäufnis gehört offenbar dazu.

In den Londoner Museen ist im Gegensatz zu den Kirchen der Eintritt grundsätzlich frei. Als ich in der Garderobe der National Gallery Mantel und Kamera abgeben wollte, hielt mich die Angestellte mit ihrer Hand davon ab, zwei Pfund in den für Spenden vorgesehenen Schlitz zu werfen: „Sir, it's free!“ Gut, dann eben nicht. Sehenswert ist in der National Gallery, wenn man von dem ganz neuen Unsinn einmal absieht, von der Renaissance bis zur frühen Moderne nahezu alles. Besonders angetan hat es mir die „Winterlandschaft mit Kirche“ von Caspar David Friedrich. Auf dieses Bild war gerade S. sehr gespannt, die Friedrich verehrt.

Als wir das Museum verließen, wurde es langsam dunkel. Wir erkundeten die Gegend und kamen am nicht minder bekannten Piccadilly Circus vorbei. Von dort aus fuhren wir mit dem Bus weiter nach Norden in eine Gegend, in der wir eine ganze Weile umherirrten, ehe wir eine U-Bahn-Haltestelle gefunden hatten. Einmal mehr waren wir auf die ins Nichts führenden Pfeile hereingefallen. Unmittelbar vor der Themse stiegen wir aus und querten den Fluss zu Fuß über die Hungerford Bridge. Nachdem wir uns mit Bier, Sandwiches und zwei genießbaren, aber verpfefferten Suppen eingedeckt hatten, ging es wieder zurück ins Hotel. Vorher wurden wir erneut reingelegt durch einen Fahrstuhl, der vom Gehweg aus zur U-Bahn führen sollte, mit dem man aber nur bis zur Straßenunterführung kam und von dort aus wieder zu Fuß nach oben zum Fahrstuhl.

Am nächsten Morgen weckte uns strahlender Sonnenschein. Unser Frühstück aus Omelette und Toast nahmen wir im Keller des Hotels ein. Das schöne Wetter nutzten wir für einen ausgiebigen Spaziergang am Tower of London vorbei, die Themse entlang und schließlich über die Tower Bridge. Als ob es ein Nest gegeben hätte, marschierten Unmengen japanischer Reisegruppen an uns vorüber, still und unauffällig, und viele Franzosen, lärmend und hastig.



Am Fuße der Tower Bridge verweilten wir für eine Weile in einem Café. In der Gasse und auf der Brücke gingen einige in rotschwarze Trainingsanzüge gekleidete junge Kerle vorüber, die plötzlich umfielen und sich auf dem Boden wälzten — ein Flashmob also, wenn auch kein origineller. Vielleicht war es auch ein ideenloser Jungesellenabschied — oder der Fanclub eines Fußballvereins.

Unsere nächsten Stationen, Hyde Park und Buckingham Palace, erreichten wir erst nach über einer Stunde, da wir absichtlich einen großen Umweg fuhren. Einer der Busse versagte an einer Haltestelle seinen Dienst und zwang uns zum Umsteigen; genau dort, wo, wie wir auf einer Tafel lesen konnten, das Haus stand, in dem Englands erste Anästhesie stattfand.



Das Gelände um den Buckingham Palace ist mit einer hohen Mauer umgeben. Den Palast selbst bekamen wir nicht zu sehen, da wir zu lustlos waren, die gesamte Absperrung zu umgehen. Mit einem Bus ging es vorbei an Westminster Abbey und am Palace of Westminster zurück ins Zentrum, wo wir etwas aßen. Anschließend fuhren wir zurück zum Hotel, um eine kurze Pause einzulegen und bei Tesco etwas zu essen für später zu kaufen. Vor dem Eingang waren einige Stände mit Ramsch zum Verkauf aufgebaut, ohrenzerfetzender Hip-Hop drang uns entgegen und es roch nach Cannabis.

Das Wetter wurde immer schlechter, aber Westminster Abbey, in das ich gerne einen Blick geworfen hätte, war bereits für Besucher geschlossen. Was uns blieb, war ein Spaziergang über die Westminster Bridge und zurück. Dabei bekamen wir immerhin einen Dudelsackspieler zu sehen. Obwohl es windig war, lässt sich die Frage, ob er etwas darunter trug, nicht beantworten.

Mit dem dringenden Bedürfnis, uns mit englischem Bier aufzuwärmen, begaben wir uns zur Victoria Station, wo wir auf unserer Suche nach einer Kneipe bald fündig wurden. Als wir an der Theke bestellten, wollte man uns aus Höflichkeit Foster's oder Guinness andrehen, wir aber bestanden als tapfere Deutsche auf englisches Bier. Wir bekamen je einen Pint mit unterschiedlichem Inhalt, also je etwas über einem halben Liter. Alle drei waren erwartungsgemäß schlecht bis unzumutbar und schmeckten wie tagelang abgestandes Bier, das man mit Flüssigseife gestreckt hat.



Weitere Kneipenbesuche ersparten wir uns und fuhren zurück. Bei einem benachbarten Inder bestellten S. und ich uns das Angebots-Curry zum Mitnehmen, auf das wir über eine halbe Stunde warten mussten. Der Inhaber sah dafür aus wie ein indischer Picasso. Im Hotel ließen wir den Abend ausklingen.

Am dritten Tag unserer Reise frühstückten wir zunächst und schleppten dann unser Gepäck zur Victoria Station, um es einzuschließen. Schließfächer, wie sie an deutschen Bahnhöfen gang und gäbe sind, fanden wir keine. Die Gebühr eines Schließfachanbieters betrug je Gepäckstück acht Pfund, was uns deutlich zuviel war, also nahmen wir es wieder mit auf unsere Tour.

Die Tate Britain, die wir als zweites Museum auf unserer Liste hatten, gefiel uns nicht so gut wie zuvor gedacht. Außer Lichtblicken wie Rubens, Turner, Blake und schwedischen Schülerinnen gab es nichts, was die Phantasie angeregt hätte. Immerhin funktionierte das Pfeilsystem, denn die Romantiker waren durch eine Baustelle von den übrigen Ausstellungsräumen getrennt.



Zunächst etwas ratlos, wie wir mit unserem Gepäck die verbleibenden Stunden verbringen sollten, fuhren wir zum Trafalgar Square. Nach einer kurzen Essenspause entschieden wir uns, unsere Tageskarten voll auszunutzen und mit den Bussen zu fahren so weit es eben ging. Nach mehrfachem Umsteigen kamen wir bis zur Vauxhall Bridge und an Harrods vorbei zurück zur Victoria Station. Die Gegenden, durch die wir fuhren, gefielen uns beinahe noch besser als das Zentrum.



Allzuviel Zeit bis zum Abflug blieb uns nicht mehr. Wir deckten uns mit Baguettes ein und fuhren mit dem Gatwick Express zum Flughafen. Nach einem Flug mit zehn Minuten Verspätung waren wir wieder in der Heimat und nach noch einmal einer Stunde zurück in der Stadt. Dort empfingen uns lange Gesichter: Bayern München hatte schon wieder gegen Inter Mailand verloren.